9.11.07

Thurisaz - Thor und die Riesenkräfte


Draußen wettert und kracht es. Grelle Blitze zucken über den nachtschwarzen Himmel. Drinnen sitzen sie auf hölzernen Bänken dicht aneinandergedrückt - Frauen, Kinder und alte Leute. Die Männer sind fort auf einem Kriegszug.

Die Kinder machen sich ganz klein vor lauter Angst und schrecken bei jedem Donnerschlag zusammen. Da hebt eine Alte an zu erzählen: „Vor dem Donnern braucht ihr euch nicht zu fürchten, Kinder. Das Krachen ist bloß vom Hammer unseres guten Beschützers, des Donnerers. Der fährt da draußen mit seinem Wagen, der von zwei Ziegenböcken gezogen wird, polternd über die Wolken. Und jedes Mal, wenn einer der wilden Riesen aus Utgard wieder einen seiner Feuerblitze auf unser kleines Reich in Midgard wirft, ist sofort der mächtige Donar zur Stelle und zielt donnernd mit seinem Hammer auf den Übeltäter. Und stets gelingt es ihm, die Unholde zu vertreiben, weil er so unermüdlich dabei ist, uns gegen sie zu verteidigen.“

Nach einer Weile, in der niemand etwas sagt, weil jeder dem Gehörten und den schwächer werdenden Donnergeräuschen nachlauscht, fragt eine Kleine ganz schüchtern und mit piepsender Stimme: „Aber wenn der Donnerer seinen Hammer geworfen hat, dann ist der doch weg!“ Da meint die Alte sinnend: „Das ist ja das Beste daran. Donars Hammer kommt nach jedem Wurf wieder zurück in seine Hand geflogen.“

Nach und nach schlafen die Kinder nun beruhigt ein und werden eins nach dem anderen von den größeren behutsam zwischen die Schaffelle gebettet.

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Die Riesen der Nordischen Mythologie werden auch Thursen, Hrimthursen, Trolle und Jöten genannt. Sie sind die ersten Wesen der Nordischen Schöpfungsmythologie. Aus dem Körper des zweigeschlechtlichen Ymir erschaffen die Asen die Welt, nachdem sie ihn getötet haben. Die Riesen wohnen in Utgard und Jötunheim – in der Einöde und im rauen Gebirge. Dorthin wurden sie verbannt, und wahrscheinlich waren das die einzigen Orte, wo sie in Ruhe gelassen wurden, weil niemand Anderes dort wohnen wollte.

Nachdem ich fast Siebzig Namen von Riesen und Riesinnen aus der Mythologie des Nordens erfahren habe, fühle ich mich auf einmal ganz klein. Es ist mir, als hätte ich unbedacht ein großes Fass aufgemacht, ohne vorher zu wissen, was drin war. Als wäre ich durch die dünne Schicht der Nordischen Götter hindurch gestoßen und wäre in einen viel größeren, älteren Raum der Naturkräfteverehrung gekommen.

Die Riesen müssen die Gottheiten gewesen sein, die von den jungsteinzeitlichen und später den bronzezeitlichen Bewohnern der nördlichen Länder vor der Invasion der Asen in der Natur verehrt wurden (u.A. die Megalithbauern, die "Hünen", vielleicht auch die Wanen?). Wie gewaltig müssen ihre Kräfte gewesen sein, wenn selbst die siegreichen Eindringlinge immer noch von ihnen als den Riesen gesprochen haben. Wenn diese alle Hände voll damit zu tun hatten, sich gegen sie zur Wehr zu setzen, und es meistens nur mit List und Tücke schafften. Und wenn die Eroberer darüber hinaus annahmen, dass ihr Reich einst von den alten Göttern während Ragnarök zerstört werden würde.

Mehr als die Hälfte dieser siebzig Riesennamen sind weiblich. An mehreren Stellen fand ich die Bemerkung, dass die Riesinnen gewöhnlich auf Wölfen reiten (z.B. in den Geschichten von Hyndla und Hyrrockin). Von Zaumzeug aus Schlangen, Kreuzottern oder Runen ist da die Rede.

Abgesehen davon, dass diese Vorstellung auf manche Furcht erregend, auf andere abstoßend oder gar lächerlich wirken mag - wer reitet denn heute immer noch auf Wölfen? (Außer den Orks im "Herrn der Ringe") Das tun SchamanInnen auf ihren Geistreisen. Waren diese Riesengöttinnen also mächtige Schamaninnen gewesen, die mit den Naturkräften gearbeitet haben? Die von den Abenteuern auf ihren schamanischen Reisen berichteten und die nach ihrem Tod infolge der Ahnenverehrung in den Stand von Göttinnen erhoben worden waren? Die Namen einiger Riesinnen scheinen ebenfalls darauf hinzudeuten, dass sie einer schamanischen Kultur entstammen, z.B. „Kraka“ - Krähe, „Trana“ - Kranich und „Mella“ - Hündin. Andere Namen wie Unheilsbringerin und Angstmacherin (Angrboda), Bedrängerin (Angeyja), Gier und Heftigkeit (Grid), Einladung zum Kampf (Gunnlöd) und Zerstörung (Skadi) sind ihnen vermutlich von ihren Gegnern gegeben worden.

Die angebliche Drei-, Sechs- oder Neunköpfigkeit der Riesen sagt wohl etwas darüber aus, dass es ihrer viele gegeben haben muss. Und immer, wenn die Asen meinten, sie hätten sie endlich besiegt oder ausgerottet, sind doch immer wieder neue aufgetaucht.

Und nachdem die Asen das Land einigermaßen erfolgreich erobert hatten, machten sie sich gern über die Riesen lustig. Die meisten von ihnen waren ja so dumm und konnten so wunderbar betrogen werden, sogar die weisesten unter ihnen! - Vielleicht waren sie aber gar nicht so dumm, sondern einfach nur arglos und schlecht informiert. So wie mehr als zweitausend Jahre später die Ureinwohner entlegener Weltgegenden, die von den Europäern „entdeckt“ und betrogen wurden und heute noch immer ausgebeutet werden?

Thurisaz steht mit der großen Kraft dieser alten Götter in Verbindung. Die Naturgewalten wurden von den Asen damals - genauso wie auch von uns heute - als chaotisch und nur schwer kontrollierbar erlebt, während die Riesen in den unzugänglichen Gebieten der Gebirge und in den Einöden mit ihnen verbündet waren, ja sie sogar repräsentierten. Die Elementarkräfte, mit denen die Riesen in Zusammenhang gebracht werden, sind Berg, Feuer, Frost, Eis, Schnee, Reif, Winter, Sturm und Blitz. Sie wurden sogar für zaubermächtig gehalten, weil sie diesen Naturkräften standhalten konnten.

Einen Bergriesen kenne ich noch aus den Geschichten in meiner Kindheit. Das ist nämlich der Rübezahl aus dem Riesengebirge, dessen korrekter Name „Herr der Berge“ lautet. Ein anderer Riese lebte bei uns ganz in der Nähe. Das ist der Riese Mils, nach dem die Milseburg benannt wurde, einer der bekanntesten Berge der Hessischen Rhön. Und wer weiß, vielleicht ist Frau Holle auch gar nicht die alte Asin Frigg, sondern eine der viel älteren Winterriesinnen. Oder sie hat zumindestens das Schneemachen bei ihnen gelernt.

Wer also Thurisaz anwenden möchte, sollte das mit Bedacht tun. Diese Rune könnte u. U. auch die lebensbedrohlichen Kräfte von Orkanen, Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis enthalten. Einmal losgelassen ist es unmöglich, sie zu kontrollieren.


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Bei uns im Wald wohnt so ein Riese - ausgerechnet in einem Gebiet öden Fichtengehölzes. Dort sitzt er meistens auf einem Baumstumpf und grinst mit seinem fast zahnlosen Mund etwas einfältig vor sich hin. Sein Kopf ist kahl und glänzt, die Nase ist dick und knubbelig, und in seinem Nacken rollen sich Speckwülste. Er ist mindesten doppelt so groß wie ein gewöhnlicher Mensch oder sogar noch größer.

Jedes Mal wenn ich bei ihm vorbeikomme freut er sich, und er mag es sehr, wenn ich ihm dann etwas vorsinge. Und zwar will er immer nur das eine Lied hören, nämlich das von den Drei Chinesen mit dem Kontrabass. Und am liebsten ist es ihm, wenn ich es in sämtlichen Vokalvariationen singe. Das macht uns beiden viel Vergnügen.

Es gibt zwar innere Stimmen, die mich zur Vorsicht mahnen, die meinen, das wäre kein Umgang für mich, ja sie halten ihn geradezu für gefährlich. Ich muss gestehen, das verunsichert mich etwas, weil ich mir keiner Gefahr bewusst bin. Sind es gar die Asenahnen, die mich warnen wollen?


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Stichwörter zur Wirkung von Thurisaz
  • Thorn, Dorn, der Starke, Riese
  • Entladung, Gewitter, Donner, Hammer, Durchsetzungskraft, Streit, Auseinandersetzung
  • Thurisaz steht auch für das Chaos und für den Gegensatz von Muspelheim und Niflheim für Feuer und Eis. Die beiden Urkräfte treiben voran und bewahren vor Stagnation.
  • Urkräfte der Fruchtbarkeit und Geburt
  • kündigt sowohl Unglück an, als auch eine glückliche Wendung des Schicksals (versch. Quellen)
  • Aggressivität, Herausforderung, Konfrontation, Konflikt
  • Selbstverteidigung
  • Überwinden von Hindernissen
  • Brechen von Widerstand
  • in Verbindung mit Thor steht Thurisaz für Zerstörung

27.8.07

Uruz, die Zweite

So geht es im Zeitalter der rasenden Informationsfluten. Kaum geschrieben kann ich es schon wieder auf den Müll werfen. Was Generationen von Runenbuchschreibern getreulich zu Papier brachten, das ist mit einem Schlag von der Genforschung überholt. Denn unser einheimisches Rindvieh stammt nicht, wie ich noch in meinem letzten Eintrag schrieb, vom Auerochsen ab, der übrigens fast so groß wie ein Elefant gewesen sein soll. (Dagegen ist die Nachzüchtung - das Heckrind – geradezu lächerlich klein.) Nein, wahrscheinlich waren es die neolithischen Einwanderer (mal wieder!), die das Milchvieh aus Kleinasien mitgebracht haben. Wer es selber nachlesen möchte, kann es hier tun.

Also Uruz gleich Auerochse bleibt davon unberührt, aber wer war nun Audhumbla? War sie eine Auerkuh, oder war sie doch eher eine Bauernkuh? Wenn sie mit den anatolischen Ackerbauern nach Europa gekommen war, dann kamen vielleicht die Mythen um sie herum gleich mit ihr? Das würde die Ähnlichkeit zu den kuhgestaltigen Göttinnenschwestern in Asien auch erklären. Und es erklärt auch die Vergleichbarkeit zwischen der irischen und der indischen Geschichte von Kühen, die aus dem Meer stiegen. Natürlich! Zumindest auf der irischen Insel mussten die ersten Kühe ja mit dem Schiff angekommen sein, denn geschwommen sind sie wohl kaum.

Und wer war denn nun Ymir? War er einer der Megalithbauern, die für Riesen gehalten wurden, weil sie solch monumentale Heiligtümer wie Stonehenge zustande gebracht hatten? Oder war er doch eher ein neolithischer Ackerbauer, der Audhumbla einige Tausend Jahre früher am Halteseil von Anatolien nach Europa geführt hatte und sich während der Wanderung von ihrer Milch ernährte? Möglicherweise war er auch beides.

Was haben denn die eingewanderten Asen eigentlich vorher getrunken? Die waren ja ursprünglich eine bunt zusammen gewürfelte Truppe aus aller Herren Länder, bis von späteren Dichtergenerationen die verschiedenen Mythen zu der Familie der Asen zusammengebacken wurden. Thor ist für mich wegen seinem von Böcken gezogenen Wagen eher als ein sehr kämpferischer Ziegenhirte vorstellbar als ein Bauer, obwohl er später zum Bauerngott wurde. Vielleicht weil die Ziegenhirten damals ebenfalls sesshaft wurden? Der trank bestimmt Ziegenmilch. Und Tyr und Wodan? Die können doch nicht nur Alkohol getrunken haben! Na ja, zumindest Odin trank jeden Tag einen Schluck Wasser aus Mimirs Quelle, das soll ja auch viel gesünder sein.

Wenn ich Uruz skandiere, dann stampfe ich dabei am liebsten mit beiden Füßen abwechselnd auf den Boden und singe dabei ziemlich tief – Uruz… Uruz… Uruz…
Dabei kommt mir ein Bild: ist Uruz aus der Energie Fehus geboren, so wie Audhumbla aus Feuer und Eis entstand?

Natürlich gibt es auch eine Entsprechung von Uruz zum Tierkreiszeichen Stier. Oben auf der Abbildung sind übrigens die "Heiligen Hörner" von Knossos auf Kreta mal auf den Kopf gestellt. Hier noch ein paar Stichworte zum Stier: er ist das zweite Zeichen im System, zählt zu den "weiblichen" Zeichen, das Element ist Erde, des weiteren Form, Stärke und Stabilität, Ausdauer und Beständigkeit. Geduld gehört zu seinen Vorzügen, doch manchmal kann sie auch in Sturheit ausarten.

Meine Reise zum Büffel: Am anderen Ende der Höhle sehe ich einen wolligen Büffel stehen. Besonders beeindruckt bin ich von seinem lockigen Stirnfell und der Kraftansammlung in seinem Kopf wie auch in seinen Schultern. Er steht die ganze Zeit einfach nur so da. „Wie ein Stück Holz“, denke ich. Aber als ich näher trete und ihm die Stirn kraule, spüre ich seine Lebendigkeit und Wärme, seinen Atem.

Ich bin voller Ungeduld und schwinge mich auf seinen Rücken. Nun wird er sich doch in Bewegung setzen meine ich, aber nichts geschieht. Also klettere ich wieder hinunter und beginne, ihm die gelben Strohhalme aus dem Fell zu striegeln. Ich begreife, dass der Büffel mir die Kraft der Erde und ihre unendliche Geduld zeigt. Mein Blick fällt auf die zarten grünen Grasspitzen zu unseren Füßen, und ich bin berührt von der Vorstellung, dass der Büffel daraus seine ganze Stärke schöpft.

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Am Anfang war die Mutter, die Matrix, die Form gebende Kraft, aus der alles wurde. Uruz ist die Weltenmutter, die das Universum gebar und die Milchstraße an unserem Himmel ein Spritzer ihrer verschütteten Nährflüssigkeit (wie bei der kuhäugigen Hera).


14.8.07

Uruz, die Urkuh

Uruz auf Urlaubsreise mitzunehmen ist nicht die beste Idee gewesen, denn eine typische Reiserune ist sie wohl eher nicht. Ich konnte mich unter der lachenden Sommersonne überhaupt nicht mit ihrer Energie anfreunden.

Wieder zu Hause entschloss ich mich, mal ein wenig über den Rand der Nordischen Suppenschüssel zu schauen. Auch ohne Fernsehen und Globalisierung lebten die Germanen damals schließlich nicht im luftleeren Raum. Es gab Reisende, Handelsbeziehungen, Feldzüge, Aus- und Einwanderungen zu Wasser und zu Lande. Also holte ich mein altes Göttinnenlexikon hervor und suchte nach Göttinnen in Kuhgestalt. Denn Uruz heißt ursprünglich Urrind oder Auerochse, welcher der wilde Urahn unserer heutigen Kühe ist. Ich fand eine ganze Reihe von Kuhgöttinnen in den verschiedenen Kulturen, die als Schöpferinnen des Universums es mit ihrer kosmischen Milch ernähren. Als Wichtigste zunächst natürlich Audhumbla selbst, die nordische Kuh(-göttin?), die als erstes Lebewesen auf der Welt zeitgleich mit Ymir aus dem Reif entstanden war, der sich durch die Begegnung von Feuer und Eis gebildet hatte. Sie erhielt sowohl den Urriesen durch ihre Milchspende am Leben, als auch leckte sie den Mann (oder nach Thorsson das androgyne Wesen) Buri aus dem Eis ins Leben, der später der Großvater (oder die Großmutter) von Odin wurde.


Na, das war vielleicht eine schwere Geburt!

Aus einem ungeheuren Wirbel von Feuer und Eis, inmitten von Rauch und Reif formte ich mich selbst und erblickte am Rande eines gähnenden Abgrunds das Licht der Welt. Kalt und öde war es, und ich fühlte mich einsam und verloren in der Eiswüste. Vergeblich blökte ich nach meiner Mutter. Aber sie kam nicht, vielleicht gab es sie nicht einmal. Stattdessen erschien da ganz unerwartet dieser grobschlächtige Typ, den ich danach gar nicht mehr von meinem Euter wegbekam. Den ganzen Tag lang hatte der Hunger und hing mir an den Zitzen, und ich? Nur gähnender Abgrund, und Gras fand ich nirgends, lediglich salziges Eis. So ernährte ich mich eben davon, eine halbe Ewigkeit lang herumwandernd.


Der klobige Kerl lag den ganzen Tag bloß auf der faulen Haut und wartete darauf, mein Euter in die Nähe seines übel riechenden Schlundes zu bekommen. Keine Ahnung, wovon der bei der Kälte so schwitzte. Ströme von ranzigem Fuß- und Achselschweiß flossen nämlich nur so aus ihm heraus. Darin wimmelte es von kleinem Ungeziefer, welches sich über lange Zeit allmählich zu stattlicher Größe entwickelte. Und alle wollten meine Milch. Ich musste mich mächtig schinden mit dem Eisschlecken, um immer genug davon zu haben.


Eines Tages bekam ich beim Lecken ein paar Haare ins Maul. Nanu, was war das denn? Am nächsten Tag schaute an dieser Stelle schon ein Kopf heraus. Das machte mich natürlich neugierig, und ich lutschte mein salziges Eis nur noch von diesem Block, bis ich am dritten Tage ein ganz ansehnliches menschliches Wesen aus dem Eis ins Leben geleckt hatte. Wir sahen uns ganz erstaunt an, und keines von uns wusste, was es sagen sollte.


Später fing es dann auch noch an, sich mit dem plumpen Koloss, der immer hinter meiner Milch her war, zu verschwägern. Obwohl die Schwiegertochter gut zu mir war. Sie war die einzige, die nicht nur immer etwas von mir wollte, sondern manchmal auch ein gutes Wort für mich hatte. War ich froh, als die Enkel von dem Eismenschen schließlich ein Ende machten mit diesem ungehobelten Riesenbaby an meinen Zitzen. Und vernünftiges grünes Gras, um eine Kuh anständig zu ernähren, gab es dann auch endlich. Aber die anderen alle wurde ich nicht mehr los.
Nie mehr.

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Und wenn es mit diesem Mythos ähnlich verlief, wie mit anderen vergleichbaren, von den verschiedenen Wellen eingewanderter Eroberer überfremdeten Geschichten, dann waren Audhumbla und Ymir das ursprüngliche, archaische Götterpaar, wie Gaia und Uranos oder Rhea und Kronos in Hellas. Klar, dass die jeweilig nachfolgenden Eroberergenerationen die Vorväter aus dem Weg räumen mussten, um für sich selber Platz zu schaffen. Interessant dabei das charakteristische Detail, dass es in der Nordischen Sage so nachhaltig geschah, quasi mit einem Recycling-Gedanken. Und wenn wir noch weiter zurückschauen könnten, dann würden wir wahrscheinlich feststellen, dass ursprünglich nur Audhumbla da war, die fruchtbare und Leben spendende Mutter Erde, die aus sich heraus einen Sohn gebar, den sie mit ihrer Milch nährte und am Leben erhielt. Denn irgendetwas muss sie schon geboren haben, damit die Milch zu fließen beginnen konnte.

Eine bezaubernde irisch-keltische Erzählung fand ich, die mir gar nicht mehr aus dem Kopf geht. Drei magische Kühe, Bo Find, Bo Rhuad und Bo Dhu, eine weiße, eine rote und eine schwarze Zauberkuh tauchten aus dem Meer im Westen auf und gingen in verschiedenen Richtungen über das Land. Bo Find ging in die Mitte Irlands, wo sie die Urahnin allen Rindviehs auf der Insel wurde und verschwand danach wieder nach Westen, wo sie angeblich immer noch in einem Zauberschlaf versunken in einer dunklen Höhle ruht. Manche sagen, Bo Find sei identisch mit Boann, Zentralirlands weißer Kuhgöttin, die gleichzeitig der Fluss Boyne war. Nach anderer Auffassung hatte Bo Find ursprünglich die Gestalt einer schönen jungen Frau und muss nun so lange schlafen, bis ein König sie wieder aufweckt und den Zauber rückgängig macht.


In Ägypten gab es gleich mehrere Göttinnen mit Kuh-Appeal. Diejenige, die am längsten verehrt wurde - nämlich fast dreitausend Jahre lang – ist Hathor. Als geflügelte Kuh der Schöpfung gebar sie das Universum und schützte die Toten. Auch für alle Frauenbelange war sie zuständig. Ihr Kult war sinnenfroh, und an ihren Feiertagen fanden orgiastische Feste statt. Ebenso nahm Nut, eine sehr frühe Himmelsgöttin, manchmal die Gestalt einer Kuh an. Deren Tochter Isis fungierte sozusagen als Nachfolgerin der Hathor und übernahm viele Attribute von dieser. Deshalb erscheint sie häufig mit Hörnern auf dem Kopf zwischen denen sich eine Mond- oder Sonnenscheibe befindet. Andere ägyptische Göttinnen, die als Kühe auftraten, sind Neith, Tefnut, Bat, Hesat, Sechat Hor und Mehet-uret. Wahrscheinlich gibt es sogar noch ein paar mehr. Das Kuhmotiv muss in Ägypten ein sehr bedeutendes gewesen sein. Der griechische Historiker Herodot schrieb um 440 v.u.Z. "Reine Stiere nun und Kälber schlachten alle Ägypter als Opfer, Kühe aber dürfen sie nicht schlachten, sondern sie sind der Isis heilig. So ist auch das Bild der Isis das eines Weibes, aber mit Rinderhörnern, ganz wie die Hellenen die Io malen, und die weiblichen Rinder verehren alle Ägypter in gleicher Weise, weit mehr als all das andere Vieh."

Weitere Kuhgöttinnen sind die blutrünstige Anath aus Kleinasien, die - wie sollte es anders sein - später auch in Ägypten verehrt wurde, und die sumerische Ninsun, die als „Herrin der Wildkuh“ bezeichnet wurde. Prithivi und Surabhi muhten in Indien, wo die Kuh bis heute als heilig gilt und zumindest von gläubigen Hindus nicht getötet wird. Surabhi, die Meerkuh, entstieg genauso wie ihre irischen Schwestern dem Ozean und machte das Land fruchtbar. Aus dem antiken Griechenland ist die kuhäugige Hera bekannt mit ihrem vermutlichen Alter Ego, der kuhgestaltigen Io. Die Oglala auf der Schildkröteninsel hatten ihre Buffalo Woman, und in Schweden besaß einmal der König Eysteinn Beli eine heilige Kampfkuh namens Sibilja.

Immerhin - ein Anfang mit Uruz ist gemacht.