14.8.07

Uruz, die Urkuh

Uruz auf Urlaubsreise mitzunehmen ist nicht die beste Idee gewesen, denn eine typische Reiserune ist sie wohl eher nicht. Ich konnte mich unter der lachenden Sommersonne überhaupt nicht mit ihrer Energie anfreunden.

Wieder zu Hause entschloss ich mich, mal ein wenig über den Rand der Nordischen Suppenschüssel zu schauen. Auch ohne Fernsehen und Globalisierung lebten die Germanen damals schließlich nicht im luftleeren Raum. Es gab Reisende, Handelsbeziehungen, Feldzüge, Aus- und Einwanderungen zu Wasser und zu Lande. Also holte ich mein altes Göttinnenlexikon hervor und suchte nach Göttinnen in Kuhgestalt. Denn Uruz heißt ursprünglich Urrind oder Auerochse, welcher der wilde Urahn unserer heutigen Kühe ist. Ich fand eine ganze Reihe von Kuhgöttinnen in den verschiedenen Kulturen, die als Schöpferinnen des Universums es mit ihrer kosmischen Milch ernähren. Als Wichtigste zunächst natürlich Audhumbla selbst, die nordische Kuh(-göttin?), die als erstes Lebewesen auf der Welt zeitgleich mit Ymir aus dem Reif entstanden war, der sich durch die Begegnung von Feuer und Eis gebildet hatte. Sie erhielt sowohl den Urriesen durch ihre Milchspende am Leben, als auch leckte sie den Mann (oder nach Thorsson das androgyne Wesen) Buri aus dem Eis ins Leben, der später der Großvater (oder die Großmutter) von Odin wurde.


Na, das war vielleicht eine schwere Geburt!

Aus einem ungeheuren Wirbel von Feuer und Eis, inmitten von Rauch und Reif formte ich mich selbst und erblickte am Rande eines gähnenden Abgrunds das Licht der Welt. Kalt und öde war es, und ich fühlte mich einsam und verloren in der Eiswüste. Vergeblich blökte ich nach meiner Mutter. Aber sie kam nicht, vielleicht gab es sie nicht einmal. Stattdessen erschien da ganz unerwartet dieser grobschlächtige Typ, den ich danach gar nicht mehr von meinem Euter wegbekam. Den ganzen Tag lang hatte der Hunger und hing mir an den Zitzen, und ich? Nur gähnender Abgrund, und Gras fand ich nirgends, lediglich salziges Eis. So ernährte ich mich eben davon, eine halbe Ewigkeit lang herumwandernd.


Der klobige Kerl lag den ganzen Tag bloß auf der faulen Haut und wartete darauf, mein Euter in die Nähe seines übel riechenden Schlundes zu bekommen. Keine Ahnung, wovon der bei der Kälte so schwitzte. Ströme von ranzigem Fuß- und Achselschweiß flossen nämlich nur so aus ihm heraus. Darin wimmelte es von kleinem Ungeziefer, welches sich über lange Zeit allmählich zu stattlicher Größe entwickelte. Und alle wollten meine Milch. Ich musste mich mächtig schinden mit dem Eisschlecken, um immer genug davon zu haben.


Eines Tages bekam ich beim Lecken ein paar Haare ins Maul. Nanu, was war das denn? Am nächsten Tag schaute an dieser Stelle schon ein Kopf heraus. Das machte mich natürlich neugierig, und ich lutschte mein salziges Eis nur noch von diesem Block, bis ich am dritten Tage ein ganz ansehnliches menschliches Wesen aus dem Eis ins Leben geleckt hatte. Wir sahen uns ganz erstaunt an, und keines von uns wusste, was es sagen sollte.


Später fing es dann auch noch an, sich mit dem plumpen Koloss, der immer hinter meiner Milch her war, zu verschwägern. Obwohl die Schwiegertochter gut zu mir war. Sie war die einzige, die nicht nur immer etwas von mir wollte, sondern manchmal auch ein gutes Wort für mich hatte. War ich froh, als die Enkel von dem Eismenschen schließlich ein Ende machten mit diesem ungehobelten Riesenbaby an meinen Zitzen. Und vernünftiges grünes Gras, um eine Kuh anständig zu ernähren, gab es dann auch endlich. Aber die anderen alle wurde ich nicht mehr los.
Nie mehr.

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Und wenn es mit diesem Mythos ähnlich verlief, wie mit anderen vergleichbaren, von den verschiedenen Wellen eingewanderter Eroberer überfremdeten Geschichten, dann waren Audhumbla und Ymir das ursprüngliche, archaische Götterpaar, wie Gaia und Uranos oder Rhea und Kronos in Hellas. Klar, dass die jeweilig nachfolgenden Eroberergenerationen die Vorväter aus dem Weg räumen mussten, um für sich selber Platz zu schaffen. Interessant dabei das charakteristische Detail, dass es in der Nordischen Sage so nachhaltig geschah, quasi mit einem Recycling-Gedanken. Und wenn wir noch weiter zurückschauen könnten, dann würden wir wahrscheinlich feststellen, dass ursprünglich nur Audhumbla da war, die fruchtbare und Leben spendende Mutter Erde, die aus sich heraus einen Sohn gebar, den sie mit ihrer Milch nährte und am Leben erhielt. Denn irgendetwas muss sie schon geboren haben, damit die Milch zu fließen beginnen konnte.

Eine bezaubernde irisch-keltische Erzählung fand ich, die mir gar nicht mehr aus dem Kopf geht. Drei magische Kühe, Bo Find, Bo Rhuad und Bo Dhu, eine weiße, eine rote und eine schwarze Zauberkuh tauchten aus dem Meer im Westen auf und gingen in verschiedenen Richtungen über das Land. Bo Find ging in die Mitte Irlands, wo sie die Urahnin allen Rindviehs auf der Insel wurde und verschwand danach wieder nach Westen, wo sie angeblich immer noch in einem Zauberschlaf versunken in einer dunklen Höhle ruht. Manche sagen, Bo Find sei identisch mit Boann, Zentralirlands weißer Kuhgöttin, die gleichzeitig der Fluss Boyne war. Nach anderer Auffassung hatte Bo Find ursprünglich die Gestalt einer schönen jungen Frau und muss nun so lange schlafen, bis ein König sie wieder aufweckt und den Zauber rückgängig macht.


In Ägypten gab es gleich mehrere Göttinnen mit Kuh-Appeal. Diejenige, die am längsten verehrt wurde - nämlich fast dreitausend Jahre lang – ist Hathor. Als geflügelte Kuh der Schöpfung gebar sie das Universum und schützte die Toten. Auch für alle Frauenbelange war sie zuständig. Ihr Kult war sinnenfroh, und an ihren Feiertagen fanden orgiastische Feste statt. Ebenso nahm Nut, eine sehr frühe Himmelsgöttin, manchmal die Gestalt einer Kuh an. Deren Tochter Isis fungierte sozusagen als Nachfolgerin der Hathor und übernahm viele Attribute von dieser. Deshalb erscheint sie häufig mit Hörnern auf dem Kopf zwischen denen sich eine Mond- oder Sonnenscheibe befindet. Andere ägyptische Göttinnen, die als Kühe auftraten, sind Neith, Tefnut, Bat, Hesat, Sechat Hor und Mehet-uret. Wahrscheinlich gibt es sogar noch ein paar mehr. Das Kuhmotiv muss in Ägypten ein sehr bedeutendes gewesen sein. Der griechische Historiker Herodot schrieb um 440 v.u.Z. "Reine Stiere nun und Kälber schlachten alle Ägypter als Opfer, Kühe aber dürfen sie nicht schlachten, sondern sie sind der Isis heilig. So ist auch das Bild der Isis das eines Weibes, aber mit Rinderhörnern, ganz wie die Hellenen die Io malen, und die weiblichen Rinder verehren alle Ägypter in gleicher Weise, weit mehr als all das andere Vieh."

Weitere Kuhgöttinnen sind die blutrünstige Anath aus Kleinasien, die - wie sollte es anders sein - später auch in Ägypten verehrt wurde, und die sumerische Ninsun, die als „Herrin der Wildkuh“ bezeichnet wurde. Prithivi und Surabhi muhten in Indien, wo die Kuh bis heute als heilig gilt und zumindest von gläubigen Hindus nicht getötet wird. Surabhi, die Meerkuh, entstieg genauso wie ihre irischen Schwestern dem Ozean und machte das Land fruchtbar. Aus dem antiken Griechenland ist die kuhäugige Hera bekannt mit ihrem vermutlichen Alter Ego, der kuhgestaltigen Io. Die Oglala auf der Schildkröteninsel hatten ihre Buffalo Woman, und in Schweden besaß einmal der König Eysteinn Beli eine heilige Kampfkuh namens Sibilja.

Immerhin - ein Anfang mit Uruz ist gemacht.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das liest sich wie ein Kampfspiel mit dem Stier, ein Umkreisen und ein sich Annähern, aber mit dem Respekt, den solch ein gehörnter Kopf einflößen kann. Vielleicht kannst Du ja auch mal drüberspringen, wie die Stierspringerinnen auf Kreta oder Dich hinter einer Bretterwand verstecken, wie das junge Volk in Frankreich. Viel Spaß und viel Glück dabei wünscht

talbertjaber hat gesagt…

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